Von Belinda Grace Gardner
Gebannt verfolgt Melanie am Mikroskop ein spannendes Experiment. Wird sich die Sch�nheit mit dem unscheinbaren m�nnlichen Gegenpart paaren, oder schie�t der am Ziel vorbei? Szenen einer Eheanbahnung der etwas anderen Art. Es geht um "ICSI", eine neue Reproduktionsmethode, bei der im Labor ein Spermium in eine Eizelle gespritzt wird. Hat der k�nstliche Befruchtungsvorgang geklappt, wird das Ei anschlie�end in die Geb�rmutter eingepflanzt.
Als den dramatischsten Moment eines Lebens bezeichnet Carl Djerassi den Augenblick, in dem Samen- und Eizelle aufeinandertreffen. In seinem j�ngsten Theaterst�ck "Unbefleckt" macht er dieses Drama zum Thema - ein Thriller, der sich in Zukunft immer h�ufiger au�erhalb des weiblichen K�rpers abspielen k�nnte.
Der ber�hmte Chemiker und "Vater der Pille" (in seiner Autobiographie bezeichnet Djerassi sich freilich als "Mutter der Pille") war am Dienstag im Schauspielhaus zum B�hnengespr�ch mit Roger Willemsen angetreten. Ein trefflicher Termin, denn w�hrend Djerassi mit Willemsen �ber die Zukunft von Liebe, Sex und Familienplanung im Zeitalter unbegrenzter reproduktionstechnischer M�glichkeiten diskutierte, verabschiedete das britische Unterhaus ein Gesetz, das therapeutisches Klonen erlaubt.
Viele verbinden damit ein Horrorszenario. Djerassi, der 1923 in Wien geboren wurde und Professor f�r Chemie an der Stanford University ist, h�lt indes nichts von einseitigen Sichtweisen. In den f�nfziger Jahren, als er an der Verh�tungspille f�r die Frau arbeitete, herrschte noch die euphorische Auffassung, dass es f�r alles einen "technical fix", eine mechanische L�sung gebe. Heute habe sich das Verh�ltnis umgekehrt: "Viele Menschen haben eine geradezu anti-wissenschaftliche Haltung, fast schon eine Wissenschaftsphobie."
Mangel an Informationen h�lt Djerassi f�r einen Grund der allgemeinen Furcht vor den Innovationen der Wissenschaft. Als Verfasser von "Science-in-Fiction-Romanen" und Theaterst�cken versucht er deshalb, Unterhaltung mit Aufkl�rung zu verbinden. "Ich will aus einer Terra incognita eine Terra cognita machen", sagt er. Djerassi glaubt, dass neue Technologien nur entwickelt werden, wenn die Gesellschaft diese will und m�glich macht.
Nicht die Pille habe in den sechziger Jahren die sexuelle Revolution herbeigef�hrt, sondern andersherum: Das gesellschaftliche Klima sei der Entwicklung der Pille g�nstig gewesen. 2001 ist der 50. Geburtstag jener Erfindung, von der heute hundert Millionen Frauen in der ganzen Welt Gebrauch machen.
Aber nicht nur die Wissenschaft interessiert den Forscher und Schriftsteller. In der N�he von San Francisco hat Djerassi eine K�nstlerkolonie geschaffen, wo sich Maler, Bildhauer, T�nzer und Schriftsteller wochenlang aufhalten k�nnen. Ihm selbst geh�rte einst eine der bedeutendsten Sammlungen von Werken des K�nstlers Paul Klee, in dem er einen Seelenverwandten sieht: "Er war ein intellektueller Polygamist - genau wie ich."