Dienstag 3. April 2001, 10:16 Uhr

«Vater der Anti-Babypille»macht Theater

San Diego (dpa) - Als «Vater der Anti-Babypille» hat sich Carl Djerassi einen Namen gemacht. Damit kennt er den Drang von Wissenschaftlern, für die Erkundung von Neuland mit Ruhm belohnt zu werden, aus erster Hand. In seinem jüngsten Theaterstück «Oxygen» (Sauerstoff) beleuchtet er eben dieses Verlangen aus einer historischen Perspektive.

Mitautor des Dramas, das Kritiker als «geistvoll, lehrreich und witzig» loben, ist sein Kollege, der Nobelpreisträger Roald Hoffmann. Beide gehören zu den bedeutendsten Chemikern der Gegenwart und mit ihren Romanen, Theaterstücken und Gedichtbänden seit wenigen Jahren auch zur schreibenden Zunft.

Das Stück «Oxygen» wurde bei seiner Uraufführung im Rahmen der 125. Konferenz des Amerikanischen Chemikerverbandes (ASC) am Montagabend in San Diego begeistert gefeiert. Schon vorher hatten sechs Nobelpreisträger dem Gespann Djerassi und Hoffmann kräftig applaudiert. «Das Stück zeigt, wie viel die Naturwissenschaftler von der Welt wissen und wie wenig sie sich selbst geändert haben», kommentierte Harold Varmus, Nobelpreisträger für Medizin.

Djerassi und Hoffmann zollen mit ihrem Bühnenspiel einem aktuellen Ereignis Tribut. Die Verleihung des Nobelpreises jährt sich 2001 zum hundertsten Mal. Das Stück spielt im Jahr 1777: Drei große Chemiker treffen sich, Antoine Laurent Lavoisier, Joseph Priestley und Carl Wilhelm Scheele. Jeder von ihnen nimmt die Entdeckung des Sauerstoffs für sich in Anspruch. Dann springt die Handlung über in das Jahr 2001. Das Nobelpreiskomitee in Stockholm will erstmals einen Retro- Nobelpreis an einen der drei genannten Wissenschaftler verleihen und ringt mit der Wahl des würdigsten Preisträgers.

«Was macht eine Entdeckung aus?», fragen die Autoren Djerassi und Hoffmann in ihrem Stück und wollen darin herausfinden, warum es für einen Forscher so wichtig ist «Erster zu sein». Als Insider kennen sie die Antwort nur allzu gut: Wissenschaftler und Technologen verändern die Welt und greifen nach immer ferneren Horizonten, nur als Menschen bleiben sie die Gleichen mit ihren Sehnsüchten, Schwächen und Eitelkeiten.

Dudley Herschbach, Nobelpreisträger für Chemie, fand nach der Lektüre des Stücks: «Ein Kunstwerk wie ein Kaleidoskop des Wissenschaftserlebens, sprühend vor Geist». Medizin- Nobelpreisträger Thorsten Wiesel spendete seinen Kollegen ebenfalls Applaus: «Eine köstliche, geistvolle Art, dem Publikum ein Stück Wissenschaftsgeschichte nahe zu bringen, illustriert durch das Leben von Wissenschaftlern, die töricht einem trügerischen Ruhm nachjagen».

Auch mit seinem ersten Theaterstück «ICSI» war Djerassi seinem Metier treu geblieben. In dem Werk beschreibt er die künstliche Zeugung eines Kindes durch die Injektion von Spermien in die Eizelle. Der vielfach ausgezeichnete Professor der Biochemie von der Stanford Universität in Kalifornien hatte 1951 das Schwangerschaftshormon Gestagen synthetisiert und damit der Antibaby-Pille den Weg geebnet. «Es gibt so gut wie keine Wissenschaft im Theater. Ich will sie auf die Bühne bringen», sagte der Professor der Stanford-Universität in Kalifornien einmal.

Hoffmann ist Professor für humanistische Bildung an der Cornell Universität in Ithaca. Er erhielt 1981 den Nobelpreis und wurde bisher als erster Wissenschaftler mit der höchsten Auszeichnung des Amerikanischen Chemikerverbandes in gleich drei Disziplinen geehrt: Der organischen und der anorganischen Chemie sowie für Chemie als Lehrfach. Zudem moderiert er im US-Fernsehen die Reihe «The World of Chemistry».