Frankfurter Neue Presse

 

Printausgabe vom 09.03.2006

Spartanische B�hne, tolle Schauspieler

Von Edith Egger-Mertin

Limburg.
Nackte gr�ne W�nde, eine spartanische Einrichtung: ein Schreibtisch, ein paar St�hle, eine Lampe, eine gr�ne Couch. Durch das gro�e Fenster sieht man das abendliche Manhattan. Auf der Couch liegt ein Mann, ein anderer Mann sitzt hinter ihm. Langes Schweigen. Schlie�lich sagt der sitzende Mann: �Mr. Marx, ich werde pro Stunde bezahlt, nicht pro Wort.�

So beginnt das Theaterst�ck �EGO – Drei auf der Couch� von Carl Djerassi, das am Mittwoch in der Stadthalle aufgef�hrt wurde. Das intelligente Konversationsst�ck dreht sich um den Ruhm und die Literatur, um Liebe und Betrug, um Rache und Vertrauen. Die Ausgangssituation wird w�hrend des Abends nur variiert, nicht ver�ndert. Drei Personen – ein Schriftsteller, seine Frau, ein Therapeut – treffen in der Praxis des Therapeuten in wechselnder Besetzung zusammen. Der Schriftsteller ist ber�hmt und erfolgreich. 14 Bestseller hat er ver�ffentlicht, von einer Frauenzeitschrift wurde er gerade zum glamour�sesten Mann des Monats gew�hlt. Aber was, wenn er tot ist? Bleibt der Ruhm? Wie aufregend m�sste es sein, die Nachrufe auf sich selbst zu lesen. Bevor der Schriftsteller die Praxis verl�sst, k�ndigt er seinen Selbstmord an.

Stephen Marx, der Schriftsteller, wird von Uwe Friedrichsen gespielt, einem Schauspieler, �bekannt aus Funk und Fernsehen�, wie es so sch�n hei�t. Auf jeden Fall ein gro�artiger Schauspieler. Vom ersten Moment an zieht er die Zuschauer in seinen Bann, beherrscht die B�hne als zynischer, melancholischer, egozentrischer K�nstler. Zusammen mit seinen Kollegen Claudia Buser und Ralf Weikinger bildet Friedrichsen ein gut aufgelegtes, lebendiges, stets pr�sentes Trio, alle drei trotzen beherzt der teilweise schlechten Akustik in der Stadthalle, alle drei werden am Ende mit langem, herzlichem Beifall belohnt.

Als der Schriftsteller ein paar Wochen nach seinem vorget�uschten Tod in der Praxis des Therapeuten auftaucht, getarnt mit Per�cke, Hut und Sonnenbrille, presst er eine Plastikt�te voller hymnischer Nachrufe an sich. Welche Genugtuung! Jetzt will er unter einer neuen Identit�t neuen literarischen Ruhm sammeln, als Genie in die Geschichte eingehen. Voller Enthusiasmus steht er am B�hnenrand, in der Pose einer leicht schr�gen Freiheitsstatue, den rechten Arm mit einem Plastikbecher hoch in die Luft gereckt.

L�ngst haben sich in der Zwischenzeit der Therapeut und die �Witwe� einander angen�hert, das gemeinsame Verzehren einer Mango ger�t zu einem erotischen, verf�hrerischen Akt, letzte eheliche Gef�hle und therapeutische R�cksichtnahmen werden �ber Bord geworfen. An ihrem untergetauchten Mann r�cht sich die verlassene Frau auf bitterb�se Weise: Sie reichert einen im Computer vergessenen Roman mit viel Sex und Kochrezepten an und l�sst ihn �posthum� erscheinen – die Kritiker sind geschockt. Vielleicht wird sich Stephen Marx jetzt wirklich umbringen.

Aus dem interessant aufgemachten Programmheft war �ber den Autor Carl Djerassi Erstaunliches zu erfahren: Der Amerikaner, in Wien geboren und 1938 emigriert, inzwischen �ber 80 Jahre alt, gilt als einer der bedeutendsten Naturwissenschaftler des 20. Jahrhunderts. Er lehrte als Biochemiker an der Universit�t Stanford und erfand unter anderem die Antibabypille. Seit seiner Emeritierung schreibt er Romane und B�hnenst�cke, sammelt Kunst und engagiert sich f�r eine Kulturstiftung.